Einmal von Canon zu Nikon und zurück bitte

"Wie bitte?" werden Sie jetzt vielleicht denken. Denn ein Wechsel des Kamerasystems reißt erfahrungsgemäß tiefe Löcher in den Geldbeutel. So etwas ist ein Schritt, der gut überlegt sein möchte. Ich habe den Wechsel von Nikon zu Canon im Frühjahr 2007 gewagt. Nach einem Jahr Canon ist es nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Den ein oder anderen Leser mag vielleicht interessieren, welche Erfahrungen ich hierbei gemacht habe. Wenn ich schon einmal etwas über den folgenden Text verraten darf: Ich habe meine Entscheidung nicht bereut, aber auch nie konsequent umgesetzt.

 

1. Warum nur?

Vorausschicken möchte ich, dass ich mit meinen sämtlichen analogen und digitalen Nikon Kameras (F80, F6, D70, D2x, D200) bislang immer Glück hatte. Alle haben mich treu und brav in ihrer jeweiligen Zeit begleitet und mich kaum jemals enttäuscht. Bis heute bin ich ein Fan von Nikon Kameras. Es gab jedoch drei Punkte, die mich zum damaligen Zeitpunkt (Frühjahr 2007) immer neidisch in Richtung der Canon-Kameras und Objektive haben schauen lassen:

Meinem Wunsch stand zunächst einmal die Frage nach einer geeigneten Vollformatkamera und deren Kosten entgegen.

 

2. Ersatz soll her

Bis heute gibt es eigentlich nur eine Kamera von Canon, die meine Wünsche erfüllen könnte: Die Canon EOS 5D. Sie ist für eine Vollformatkamera mit zurzeit (Frühjahr 2008) deutlich unter 2000 Euro geradezu sündhaft verlockend "günstig". Vollformat? Check. Leicht? Check. Relativ bezahlbar? Check. Lichtstarke Festbrennweiten verfügbar? Check.

Die Alternativen wären die damals gerade erschienene EOS 1D Mark III gewesen, die die Fotografen mit beeindruckender Bildqualität bei hohen ISO Werten und sagenhafter Geschwindigkeit gelockt hat. Nur leider war es keine Vollformatkamera und für die ungewöhnliche "Brennweitenverlängerung" von 1,3 gibt es keine wirklich passende Objektivpalette. Auch scheint mir nicht klar zu sein, ob es für dieses Sensorformat überhaupt eine Zukunft gibt. Die EOS 1D Mark II (die Mark III gab es damals noch nicht)? Auf keinen Fall! 6000 Euro war mit meinem Budget damals nicht vereinbar. Andere Hersteller von Vollformatkameras? Fehlanzeige damals. Bis zum heutigen Juni 2008 ist dies auch so geblieben. Ich vermute allerdings stark, dass wir auf der diesjährigen Photokina neue Vollformatkameras zumindest von Sony und Nikon sehen werden. Canon wird möglicherweise eine EOS 5D Mark II vorstellen und andere Hersteller wie Pentax werden möglicherweise an gleicher Stelle folgen.

 

3. Eine Canon EOS 5D ist da

Mein Entschluss stand fest. Es würde teuer werden, so viel war klar. Nachdem meine Nikon D2x, meine Nikon D200, das Nikon 80-400mm, das Nikon 70-180mm, das 60mm Micro Nikkor, das 50mm f1,8 und einige andere Nikon Zubehörteile unter dem Hammer gelandet waren, hatte ich genug Bares für den "großen Sprung". Bald schon hatte ich dafür eine Canon EOS 5D, ein Canon 24-70mm f2,8 USM L und ein Canon 70-200mm f2,8 USM IS L. Erfreulicherweise gab es eine kurze Zeitspanne, in der ich sowohl meine alte Nikon-Ausrüstung als auch die neue Canon-Ausrüstung gleichzeitig für Testzwecke zur Verfügung hatte.

Die ersten Vergleiche der Bildqualität fielen so deutlich zu Gunsten der EOS 5D aus, dass ich meinen Entschluss keineswegs bedauert habe. Zur Illustration möchte ich einmal einige der Testbilder zeigen, die ich damals gemacht habe.

Dies ist schlicht und ergreifend der Blick aus einem Fenster meiner Wohnung. Zunächst möchte ich eimal einen 1:1 Ausschnitt herausgreifen, der im Bild rot markiert ist. Auf der linken Seite sieht man das Bild der Nikon D2x, das mit dem Nikon 17-55mm f2,8 bei 17mm aufgenommen wurde. Man kann bei einem damaligen Preis von etwa 1500€ schwerlich behaupten, das Nikon 17-55mm f2,8 wäre ein minderwertiges Objektiv. Beide Kameras haben etwa 12 Megapixel, wodurch die Bildausschnitte bei äquivalenten Brennweiten direkt vergleichbar sind. Das Nikon 17-55mm AF-S f2,8 tritt bei 17mm an gegen das vom Einsatzbereich und Preis her grob äquivalente Canon EF 24-70mm f2,8 USM L auf der EOS 5D bei 28mm. Beide Kameras stehen auf einem Stativ und sind auf eine "vernünftige" Blende von etwa 8 eingestellt und sorgfältig auf den Strommast im Bild fokussiert.

Der direkte Vergleich hat mich damals schlicht erschüttert. War es möglich, dass das um den Faktor 1,5 kleinere Nikon DX Format (links) wirklich so enorm schlecht gegen das Canon Vollformatkamera (rechts) abschneiden würde? Ich habe derartige Versuche später noch das ein oder andere Mal mit anderen Optiken wiederholt und oft vergleichbare Ergebnisse bekommen. Meiner Erfahrung nach zeigt sich, dass die EOS 5D in Verbindung mit einem Spitzenobjektiv wie dem Canon 24-70mm f2,8 USM L dem Nikon DX Format ganz klar überlegen ist.

Woran liegt's? Meiner Meinung nach sieht man auf dem Bild der D2x (links) weniger Unschärfe als vorwiegend chromatische Aberration. Dieser Abbildungsfehler wird durch unterschiedliche Brechung von Licht verschiedener Wellenlänge (Farbe) an Glas hervorgerufen. Bei extrem genauem hinsehen fällt auf, dass der Effekt auch bei der EOS 5D auftritt, aber hier so schwach ist, dass man ihn kaum sehen kann. Warum ist er bei der Nikon D2x so viel stärker?

Zum einen scheint mir das Canon 24-70mm f2,8 USM L ein dem Nikon 17-55mm f2,8 AF-S optisch deutlich überlegenes Objektiv zu sein. Hinzu kommt wohl noch, dass die größeren Pixel auf dem Vollformatsensor eine ähnliche Größe wie die bei der chromatischen Aberration auftretenden Farbsäume besitzen, die dadurch schlicht nicht abgebildet werden. Die enger gepackten Pixel des DX-Sensors dagegen liegen so dicht, dass sich der Farbsaum gegebenenfalls sogar über ein oder mehrere Pixel erstreckt und dadurch im Bild wiedergegeben wird. Letzlich besteht ohnehin kein Zweifel daran, dass größere Aufnahmeformate eine überlegene Bildqualität liefern. Nicht ohne Grund fotografieren viele Profis mit Fachkameras und Mittelformatkameras.

Ich war erst einmal beruhigt. Mein Wechsel zu Canon schien sich damals also in Hinblick auf die technische Qualität der Bilder absolut gelohnt zu haben. Uff!

 

4. Der Teufel steckt im Detail

Die Bedienungskonzepte von Nikon und Canon erwiesen sich gleich zu Beginn als durchaus unterschiedlich. Neu war für mich die Idee, dass durch Drücken einer Taste die Kamera in einen "Verstellmodus" geschaltet wird, in dem man für eine gewisse Zeit mit dem großen Drehrad an der Rückseite des Kameragehäuses beispielsweise die Belichtungsabweichung oder den ISO Wert einstellen kann. Daran würde ich mich gewöhnen können.

Neu war für mich auch, dass die EOS 5D leider keine Auto-ISO Einstellung hat. Dies finde ich eine sehr ärgerliche Einschränkung, weil die Kamera dadurch nicht wirklich Schnappschusstauglich ist. Bei meinen Nikons hatte ich für Schnappschüsse oft die Kamera auf Auto-ISO, eine Mindestverschlussgeschwindigkeit von 1/200sec und Zeitautomatik bei vorgewählter Blende 8 gestellt. Egal ob gerade die Sonne hinter einer Wolke verschwinden wollte oder es langsam dunkel wurde. Die Kamera dachte mit und setzte für mich den ISO Wert auf eine sinnvolle Weise. Die EOS 5D bietet diese Option nicht. Zunächst kam ich also immer mit verwackelten Bildern nach Hause, wenn das Wetter in Deutschland mal wieder wechselhaft war. Ein gravierender Nachteil der Kamera.

Womit ich ebenfalls nicht gerechnet hatte, war die meiner Meinung nach wenig intelligente und unzuverlässige Belichtungsmessung der EOS 5D. Wenn ich mit meinen Nikons unterwegs gewesen war, hatte ich nur noch in extrem kritischen Situationen die Belichtung meiner Bilder kontrollieren oder mit den +/- Tasten der Belichtungskorrektur beeinflussen müssen. Die Nikon Matrixmessung mit ihren bis zu 1005 Messfeldern liefert meiner Erfahrung nach fast immer einen hervorragende Belichtungswert. Dies verwundert nicht, denn sie basiert auf dem von Ansel Adams entwickelten Zonensystem, das für praktisch jede denkbare Belichtungssituation angemessene Belichtungswerte liefert.

Canon verwendet bei der EOS 5D dagegen nur um die 30 Sensoren zur Belichtungsmessung. Dadurch liefert die Kamera inkorrekte Belichtungsdaten wenn zur Ermittlung der Belichtung wichtige Bildteile nicht detailliert genug oder gar nicht von den Messfeldern erfasst werden. Meiner Erfahrung nach ist dies ebenfalls eine ausgesprochen ärgerliche Einschränkung und Fehlerquelle. Bis heute kontrolliere ich daher nach jedem Bild die Belichtung meiner Canon-Kameras und fotografiere grundsätzlich mit -1/3 Blendenstufe Belichtungsabweichung zur Vermeidung von ausgebrannten Lichtern in meinen Bildern. Bei meinen Nikon Kameras war eine permanente Belichtungsabweichung nie nötig gewesen.

Unten zum Vergleich ein mit der EOS 5D und Mehrfeld-Belichtungsmessung aufgenommenes Bild. Daneben ein Bild, wie ich es mit meiner ganz neuen Nikon D3 ebenfalls ohne jede Belichtungsabweichung aufgenommen habe:

Der Unterschied sollte deutlich sichtbar sein, wenn man mit der Maus über das obige Bild fährt, das ein mit der Canon EOS 5D bei typisch deutschem bewölkten Wetter ohne jede Belichtungsabweichung aufgenommenes Bild zeigt. Die hellen Stellen im Himmel sind ausgebrannt und werden offensichtlich von der EOS 5D nicht als bildwichtiger Teil wahrgenommen. Fährt man mit der Maus über das Bild, dann sieht man ein mit der Nikon D3 aufgenommenes Bild. Hier ist die Belichtung (nach meinem Geschmack und Verständnis) "korrekt" und berücksichtigt die hellen Stellen im Himmel bei der Belichtungsmessung. Zu beachten ist hier allerdings der auch bei abgeschaltetem aktiven Delighting etwas größere Dynamikbereich der Nikon D3, mit dessen Hilfe auch bei knapperer Belichtung Details in den Schatten erhalten bleiben.

 

5. Mein persönliches Fazit zur Canon EOS 5D

Unterm Strich ist für mich die Canon EOS 5D auch heute noch eine hervorragende Kamera mit folgenden Vor- und Nachteilen, die ich hier nur kurz aufzählen möchte:

+ Vollformatsensor mit hervorragender Bildqualität

+ klein

+ leicht

+ "bezahlbar"

+ sehr geringes Bildrauschen auch bei hohen ISO Werten

+ riesige Objektivauswahl mit lichtstarken Festbrennweiten (z.B. 24mm f1,4 USM L oder 80mm f1,2 USM L II)

 

- unzuverlässige Belichtungsmessung von natürlichem und Blitzlicht (meiner Meinung nach)

- keine automatische ISO-Einstellung

- keine Speicherung der Fokus-Entfernung in den Metadaten (ärgerlich bei Verwendung von DxO Optics)

- keine automatische Sensorreinigung

- verbesserungsfähiger Autofokus (zu wenige Messpunkte, zu langsam)

- Gehäuse nicht spritzwassergeschützt

- zu kleines Display auf der Gehäuserückseite

 

Man darf gespannt sein, ob zur Photokina 2008 die EOS 5D durch ein neues Modell ersetzt wird. Ich persönlich rechne im Zuge einer möglichen Vollformat Nikon D400 damit. Wir werden sehen.

 

6. Zurück zu Nikon

Die oben erwähnten Nachteile der EOS 5D brachten mich dazu, wieder nach einer "schnellen" Kamera Ausschau zu halten, die schnappschusstauglich und mit einem Vollformatsensor ausgestattet sein sollte. Ein Traum für Actionfotografen ist natürlich die Nikon D3, die wenige Monate nach meinem Umstieg zu Canon vorgestellt, aber natürlich nicht sofort lieferbar war. Trotz des "schmerzhaft" hohen Preises habe ich der Versuchung der ersten Nikon Vollformatkamera nicht wiederstehen können. Es hat sich gelohnt. Die Kamera ist wirklich so gut, wie man bei einem UVP von knapp 5000€ zu vermuten geneigt ist.

Hier meine persönliche Kurzfassung der Vor- und Nachteile der Nikon D3:

 

+ schnell, schnell, schnell!!! Sagte ich schnell? ;)

+ superbe Bildqualität (hervorragende Farben, sehr großer Dynamikbereich)

+ trotz einer riesigen Menge von Features angenehm zu bedienen

+ rasend schneller und zuverlässiger Autofokus mit 51 Messpunkten

+ extrem zuverlässige Belichtungsmessung

+ robustes Gehäuse

+ minimalstes Rauschen auch bei hohen ISO Werten (bis ca. ISO 1600 superb, max. ISO 6400 möglich, siehe z.B. hier)

+ Auto-ISO :)

+ hervorragendes Display

 

- keine automatische Sensorreinigung (dies kann aber die neue D700)

- sehr groß und schwer (werde ich diese Kamera jemals in Urlaub mitnehmen können?)

- teuer, teuer, teuer :(

 

7. Die Zukunft

Momentan besitze ich sowohl Canon als auch Nikon Fotoausrüstung und konnte mich nicht auf einen Kamerahersteller festlegen. Würde Nikon eine "tragbare" D400 mit Vollformatsensor herausbringen und noch einige neue lichtstarke Festbrennweiten mit ins Repertoire aufnnehmen, ich würde sofort endgültig zu Nikon wechseln. Würde Canon endlich eine leichte Vollformatkamera mit Auto-ISO, deutlich(!) verbesserter Belichtungsmessung und besserem Autofokus herausbringen, ich würde sofort endgültig zu Canon wechseln. Momentan sieht es weder nach dem einen noch dem anderen aus.

Aktualisierung: Nikon hat die von mir erhoffte "leichte D3", nämlich die "D700" angekündigt, die ich mir sogleich bestellt habe. Diese "D3 im Schafspelz" ist vielleicht die Initialzündung zu einem hoffentlich endgültigen Wechsel zurück zu Nikon.

Ich hoffe, diese Gegenüberstellung der Systeme hat ein wenig gefallen und hilft vielleicht dem/der ein oder anderen weiter, der/die vor der Entscheidung Systemwechsel ja oder nein bzw. vorm Einstieg in das ein oder andere Kamerasystem steht.