Vergleich Zeiss Makro Planar 100mm 1:2,0 ZF.2 und Micro Nikkor 105mm AF-S VR

Seit einiger Zeit bin ich Besitzer sowohl des Nikon Micro Nikkor 105mm 1:2,8 AF-S VR G als auch de Zeiss Makro Planar 100mm 1:2,0 ZF.2. Beide Objektive haben einen ausgezeichneten Ruf zu verteidigen, sollen sehr scharf sein und ein schönes Bokeh (sanfte Zeichnung des unscharfen Bildhintergrunds) besitzen. Da ich mich gefragt habe, welches Objektiv ich denn nun behalten und welches ich verkaufen sollte.

Dazu habe ich einige Vergleichsaufnahmen angefertigt, die ich hiermit auch interessierten Lesern zur Verfügung stellen möchte. Diese habe ich mit beiden Objektiven an der Nikon D800 (ohne "E") mit Stativ und Spiegelvorauslösung vom gleichen Punkt aus aufgenommen. Beide Objektive hatten keine Schutzfilter aber eine Gegenlichtblende aufgeschraubt und ich habe per LiveView bei offnener Blende auf das linke Augen meines Plüschlöwen scharfgestellt. Aber bevor ich die Testaufnahmen für sich sprechen lasse, möchte ich noch einmal kurz die Vor- und Nachteile beider Objektive aus meiner Sicht aufführen.

Preis: Man bekommt zurzeit etwa zwei Micro Nikkor zum Preis für einen Zeiss Makro Planar. Punkt an Nikon.

Autofokus: Klarer Punkt ebenfalls an Nikon, da der Zeiss Makro Planar nur manuell fokussiert werden kann. Allerdings ist die manuelle Fokussierung ein wahres Vergnügen mit dem Zeiss Makro Planar, da sich der Verstellring butterweich und präzise einstellen lässt. Die hohe Lichtstärke von 2,0 mit ihrer geringen Schärfentiefe und großen Helligkeit des Sucherbildes erlaubt auch ein gutes Beurteilen der Bildschärfe im Sucher. Wer jedoch überwiegend sehr bewegliche Motive fotografiert, sollte genau überlegen, ob manueller Fokus die richtige Wahl ist.

Mechanische Qualität: Der Zeiss Makro Planar ist komplett aus Metall gefertigt und fühlt sich so solide an, dass man fast mit einer lebenslangen Haltbarkeit rechnet. Der Micro Nikkor ist dagegen zumindest äußerlich aus Plastik und bestitzt keinen Blendenring, was die Verwendung des Micro Nikkors z.B. an älteren Kameras oder Verwendung an spiegellosen Kameras mittels eines Adapters schwierig oder unmöglich macht. Punkt an Zeiss.

Schärfe: Jetzt wird es interessant. Das Micro Nikkor soll sehr scharf sein und ist dies meiner Erfahrung nach auch in der Tat. Wie man aber an den 100% Ausschnitten der Testaufnahmen unten sehen kann, ist der Zeiss Makro Planar sogar bei Blende 2,0 sichtbar schärfer als der Micro Nikkor bei 2,8 (auf kontrast und Details der Fellstruktur ums linke Auge achten, denn die "Mähne" ist wegen knapper Schärfentiefe bei Blende 2 beim Makro Planar unschärfer)! Erst bei Blende 5,6 erreicht der Micro Nikkor die gleiche Schärfe und gleichen Kontrast wie der Zeiss Makro Planar, wie man an der Struktur des Fells meines Plüsch-Testlöwen sehen kann. Wichtiger Punkt an Zeiss.

Beide Objektive offen

Kontrast: Punktgewinn für Zeiss. Schon bei ganz offener Blende haben die Bilder sowohl einen höheren Mikro- als auch einen höheren Makrokontrast. Daher empfiehlt es sich dringend, die Gegenlichtblende am Micro Nikkor zu verwenden, weil Gegenlicht den Kontrast weiter stark vermindert. Hier rächt sich das Verbauen so vieler Linsen mit so vielen Grenzflächen, von denen jede einzelne Streulicht erzeugt. Für mich persönlich ist dies der Knackpunkt, aufgrund dessen ich mich vermutlich fürs Behalten des Zeiss Makro Planar entscheiden werde.

Bildstabilisator: Punkt an Nikon, weil nur der Micro Nikkor einen Bildstabilisator besitzt. Allerdings besitzt der Makro Planar eine höhere Lichtstärke, die ebenfalls zum Erzielen einer kürzeren Belichtungszeit und damit weniger Verwacklung genutzt werden kann. Weiterhin haben mit Blende 2,0 aufgenommene Bilder einen besonderen Charme und eine besondere Luftigkeit, die eben mit Blende 2,8 nicht erreicht werden kann.

Bokeh (Zeichnung des unscharfer Bildhintergrunds): Hier schlagen sich beide Objektive meiner Meinung nach sehr ordentlich. Allerdings hat der Zeiss Makro Planar leicht die Nase vorne, vor allem wegen der Offenblende von 2,0, die für den Micro Nikkor schlicht nicht erreichbar ist. Gerade zwischen Blende 2 und 4 spielt der Zeiss Makro Planar seine Vorteile aus und ist hier noch ein Stück cremiger. Als Beispiel kann ich folgendes bei Blende 2,5 aufgenommenes Bild einer Blimenwiese anführen. Meiner Meinung nach ein Punkt mehr für Zeiss:

Bokeh des Zeiss 100mm 1:2,0 ZF.2

Hier ist eine Animation, die den Effekt verschiedener Blenden beim Micro Nikkor zeigt:

Nikon Blendenreihe

Hier ist eine Animation, die den Effekt verschiedener Blenden beim Zeiss Makro Planar zeigt:

Zeiss Blendenreihe

Und nun die 100% Ausshnitte aus meinen Aufnahmen obiger Testszenen. Die linke Spalte zeigt Ausschnitte aus Bildern des 100mm Makro Planars und die rechte Spalte die des 105mm Micro Nikkor. In den Zeilen werden die angegebenen Blenden verwendet. Weiße Flächen bedeuten die Nichtverfügbarkeit der angegebenen Blende am jeweiligen Objektiv.

100% Ausschnitte

Man sieht hier auch sehr schön, dass aufgrund der Beugung Bildschärfe und Kontast ab Blende 11 dramatisch abnehmen. Blende 32 sollte man nur in höchster Not verwenden, wenn die Schärfentiefe gar nicht reicht. Es gibt hier aber Alternativen, wie das sogenannte "Focus Stacking".

Fazit: Ich brauche im Makrobereich weder Autofokus noch Bildstabilisator. Fokussieren kann ich im Makrobereich durch Vor- und Zurücklehnen(!) und der Bildstabilisator des Micro Nikkor nützt im Nahbereich ohnehin praktisch nichts, weil die Perspektive sich durch minimale Positionsänderung der Kamera drastisch ändern kann. Dies kann vom Bildstabilisator quasi prinzipbedingt nicht ausgeglichen werden. Wer ultimative Bildschärfe und Kontrast sucht, der wird den höheren Preis des Zeiss Makro Planars und das Fehlen von Autofokus möglicherweise zähneknirschend in Kauf nehmen. Meine Wahl wird daher auf den Zeiss Makro Planar fallen. Wer jedoch viele bewegliche Motive fotografiert und oder ungern manuell fokussiert, der sollte durchaus beherzt zum 105mm Micro Nikkor greifen, der bereits sehr gute Ergebnisse liefert.